Wohnhaus Hedwig Courths-Mahler - Mutterhof

Ehemaliges Wohnhaus Hedwig Courths-Mahler

Beschreibung

Die frühere Villa von Hedwig Courths-Mahler, der sogenannte „Mutterhof“, steht im südlichen Teil der Stadt Tegernsee. Bei einem der zuvorigen Sommeraufenthalte am Tegernsee hatte die Familie das Anwesen am Leeberg entdeckt und die sogenannte Bossevilla, 1933 von Frau Emilie-Auguste v. Bosse-Erhardt (1874-1946) erworben.

Danach wurde die Villa renoviert und das Grundstück in Hanglage in eine Gartenlandschaft umgestaltet. 1935 zog Hedwig Courths-Mahler mit ihrem Mann Fritz Courths, Tochter Margarete und deren Ehemann Karl Elzer, in dieses Haus. Die frisch geschiedene Friede Birkner erhielt als Geschenk ein eigenes Haus in Rottach. Die Übersiedlung vom geschäftigen Berlin an den stillen Tegernsee erfolgte aus mehreren Gründen. Mindestens ein Viertel der Bücher von Hedwig Courths-Mahler und ein Großteil von Margarete Elzers Romanen entstanden in diesem Haus am Leeberg. Es sind Mengen von Fotos überliefert, welche die verschiedenen Mitglieder der Familie Courths-Mahler in diesem Haus am Leeberg und in Tegernsee zeigen. Wie sehr sich die Familie damals an das neue Umfeld anpasst, belegt die Vielzahl überlieferter Fotos in den Familienalben, die Margarete Elzer, Friede Birkner und ihre Ehepartnern ausschliesslich in Tracht zeigen.

Margarethe Elzer hat erklärt, warum die Familie der Villa am Leeberg den Namen „Mutterhof“ gab.

„Die Besitzung trägt nicht ohne Grund den Namen „Mutterhof“. Dieser Namen wurde von den Töchtern und Schwiegersöhnen zum Dank dafür geprägt, dass einer Mutter Fleiß und Streben diesen Hof für die Familie geschaffen hat. Er bleibt mit diesem Namen über Hedwig Courths-Mahlers Tod hinaus ihr eigen, weil er ihr Verdienst ist. Das wollten ihre Kinder mit diesem Namen ausdrücken.“ (Delphin Band Nr. 139)

Elzer zufolge war „Mütterlichkeit“ eine Haupteigenschaft der Hedwig Courths-Mahler und auch die Triebfeder für ihr schriftstellerisches Arbeiten. Nur um ihren Kindern ein schönes und glückliches Leben bereiten zu können, habe sie ihr Talent unermüdlich ausgebaut und gesagt: „Ich glaube wahrhaftig, dass ich nie die Courths-Mahler geworden wäre, wenn ich keine Kinder gehabt hätte!“

Hedwig Courths-Mahler - Kindheit und Jugend

Hedwig Courths-Mahler wurde am 18. Februar 1869 in Nebra in Thüringen unehelich geboren und wuchs in den Folgejahren in Weißenfels in Armut auf. Ihr ursprünglicher Vorname lautete Ernestine Friederike Elisabeth. Den Namen Hedwig gab sie sich in ihrer Kindheit selbst, anlässlich eines vorbeiziehenden Wanderzirkus, der ein Theaterstück Hedwig, die Zigeunerbraut aufführte. Ihr angeblicher Vater, ein Unteroffizier, starb vor ihrer Geburt. Aufgrund der schwierigen familiären Umstände wächst Hedwig als ‚Kostkind‘ bei einem Schuhmacher-Ehepaar auf. Später tritt sie bei einer Familie Rumschedel in Dienste, wo sie Vorleserin der Mutter des Hausherrn wird und erstmals Zugang zu Literatur erhält. Ihre Leidenschaft gilt der „Marlitt“, einer damaligen Bestsellerautorin. 1979 zieht sie zur Mutter nach Leipzig, die dort offenbar als Prostituierte gearbeitet hat. Hedwigs Geschwister stammen von verschiedenen Vätern. Die alleinstehende Mutter kann so zwar ihre Kinder ernähren, aber diese werden Zeuge vieler Probleme, Abtreibungen inbegriffen. Das wahre Leben ihrer Mutter wird Hedwig Courths-Mahler später. verschleiern. Tagsüber arbeitet sie zuerst im Exportgeschäft von Mey&Edlich, später als Verkäuferin für Seidenbänder. Beim Schein einer Kerze schreibt sie nachts Geschichten, die alle eine traurigen Ausgang haben und die sie von Redaktionen zurückgeschickt bekommt.

Heirat,  Kinder und erste Schreiberfolge

1889 heiratet Hedwig Mahler den Grafiker Friedrich Courths (1863–1936). Das Paar bekommt zwei Kinder, die Töchter Margarete Anna Elisabeth (1889–1966) und Hedwig Gertrud Frieda (1891–1985). Nach entbehrungsreichen Jahren für die junge Familie findet Fritz Courths 1897 eine Anstellung bei der Textil- und Möbel-Firma „Cohrs & Michaelis“ in Chemnitz. Mit diesem beruflichen Erfolg ändert sich auch die gesellschaftliche Stellung. Für Hedwig ergeben sich Kontakte zum Feuilleton des Chemnitzer Tageblatt. Der Chefredakteur, dem die junge Frau einige Geschichten schickt, erkennt ihre Fähigkeiten: „Was sie schreibt über Liebe, Treue und Träume, das wollen Tausende lese. Wie sie schreibt - mit Seele, Herz und Gemüt, das ist einmalig unnachahmlich“. 1904 veröffentlicht das Chemnitzer Tagblatt ihren Roman „Licht und Schatten“ als Serie. Weitere ‚Zeitungsromane‘ folgen und machen ihren Namen bekannt.

Umzug nach Berlin

Mit dem Umzug von „Cohrs & Michaelis“ nach Berlin siedelt auch die Familie Courths dorthin über. In Berlin schließt Hedwig Courths-Mahler einen 10jährigen Vertrag mit dem bekannten Berliner Literaturagenten Richard Taendler (1868–1909) ab, sehr zum finanziellen Nachteil der Autorin. In ihm verpflichtet sie sich jährlich mindestens 3 Romane zu schreiben. Er erwirbt die Rechte an ihren Werken und vermarktet diese in der Folge als Zeitungsromane. Hinzukommen kommen Buchpublikationen, Übersetzungen und Theateradaptionen, ab den 1910er-Jahren auch Filmadaptionen. Als Taendler plötzlich stirbt, kauft sie die Rechte an ihren Werken zurück. 1912 schließt sie einen Vertrag mit dem Friedrich-Rotbarth-Verlag in Leipzig ab. Nun erfolgt der grosse literarische Durchbruch. „Die wilde Ursula“ wird ein Bestseller, und „Ich lasse dich nicht“ verfilmt und dramatisiert. Mit diesen Erfolgen geht der soziale Aufstieg der Familie einher, die nun in Charlottenburg eine schöne Bel Etage bezieht. Längst trifft sich bei ihr die Berliner Prominenz. Paul Härtling, Curt Goetz, aber auch Asta Nielsen und Franz Lehar gehören zum Bekanntenkreis. 1917 während des Ersten Weltkrieges hat ihr Verleger Friedrich Rothbarth eine geniale Idee. Er stellt Taschenbücher in Postkartengrösse her, umgibt sie mit einem Bild und auf der Rückseite mit einem Vordruck für Feldpostsendungen. In ungezählten Exemplaren werden fröhliche Titel veröffentlicht, wie „Sein Mädel“ und „Die schöne Unbekannte“. Die Männer im Schützengraben sollen diese Feldpostsendung sehr geliebt haben. Wie Friede Birkner in ihrer Biographie berichtet, war der Verleger Paul Meuche der Ansicht, dass Hedwig Courths-Mahler erst durch das Lesen ihrer Bücher in den Schützengräben die Courths-Mahler geworden sei. 

Die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg werden zu einem Schwerpunkt ihres Schaffens. Zwischen 1917 und 1925 werden 21 Filme nach der Vorlage von Courths-Mahler Romanen produziert. Tatsächlich wird Hedwig Courths-Mahler in den 20er Jahren selbst zu einem Stück Berlin, ist Bestandteil der Berliner Künstlerkreise, ihr Name längst zu einem Label geworden. (Foto: HCM in Berlin mit Ehemann Fritz Courths (rechts))

Einblicke in HCMS Schreibwerkstatt

In der Berliner Zeitschrift Querschnitt gab die Bestsellerautorin 1929 Einblicke in ihre Schreibwerkstatt, erzählte wie sie Romane schrieb:

Mein System

Jeder Arbeiter schafft sich in seiner Praxis ein System – auch der geistige Arbeiter. Der Schriftsteller muß immer bereit sein, für ihn gibt es keinen Achtstundentag. Tag und Nacht muß er sich seinen Gedanken zur Verfügung stellen. Mit kommen immer die besten Gedanken, wenn ich mich zum Schlafen niedergelegt habe. An Schlafen ist dann meist nicht zu denken. Der Schlaf löscht die Gedanken, die man beim Einschlafen hat, gewöhnlich aus. Man muß sich also Notzen machen. Darüber wird man so hellwach, daß man am liebsten gleich wieder aufstehen würde, um weiterarbeiten zu können. Auf diese Weise käme man nie zum Schlafen, deshalb muss man auf manchen guten Gedanken verzichten. Jeder Geistesarbeiter weiß, daß seine Arbeit der Gesundheit nicht zuträglich ist. Aber wer würde die Geistesarbeiter für Schwerarbeiter ansehen? Es ist ja so sehr leicht, sich an den Schreibtisch zu setzen und Bücher zu schreiben – sieht wenigstens so leicht aus.

Ich ersinne meine Stoffe in meinen sogenannten Ferien, in denen ich also eigentlich die schwerste Arbeit verrichte. Stenographisch notiere ich mir in kurzen Umrissen die erdachten Stoffe und habe sie dann vorläufig aus meiner Gedankenwelt ausgeschaltet. 

Komme ich dann aus den Ferien nach Hause – auf meinen Reisen sammle ich fleißig neue Eindrücke  – dann nehme ich mir einen so kurz zusammengefaßten Stoff vor und beginne mit der Ausarbeitung. Ich lebe mich dann so intensiv in diesen Stoff hinein, daß ich nichts anderes hören und sehen mag. So arbeite ich - auch stenographisch - das Konzept in aller Ausführlichkeit. Bis dies Konzept fertig ist, bin ich in einer Art Arbeitsfieber, ich lasse mich dann durch nichts stören. Ist das Konzept fertig, dann kommt die Ausarbeitung in den einzelnen Szenen. Das ist dann meist ein Vergnügen: da der Stoff ausführlich im Konzept fertig vorliegt, hetzt mich nichts mehr. Und da ist die Arbeit ein Genuß.

Ich arbeite jeden Tag vierzehn Stunden, Sonntag und Woche, wenn mich nicht einmal eine Theatervorstellung oder eine gesellige Verpflichtung abhält.

Von Stimmungen bin ich nicht abhängig, wenn ich gesund bin, bin ich auch in Stimmung. Nur dann nicht, wenn meine Kinder krank sind, oder wenn ihnen ein Leid widerfahren ist. Dann kann ich nicht arbeiten. Meine Sonntage sammle ich mir für die Ferien auf, denn wenn ich in der Arbeit bin, kann ich den Sonntag nicht aussetzen. Habe ich in meinen Ferien meine Stoffe für das künftige Arbeitsjahr festgelegt, dann kommt der größte Genuss für mich an die Reihe  – dann lese ich – lese von früh bis spät, alles, was mir meine Kinder im Laufe des Jahres als besonders gut und wertvoll empfohlen haben. Dann türmen sich die Bücher neben mir auf, auch wissenschaftliche, da ich noch viel zu lernen habe. Ich bin dann für kurze Wochen nur Lesepublikum und freue mich an allem Schönen, was andere Schriftsteller geschaffen haben.

Unter dem nationalsozialistischen Regime

Courths-Mahler Verhältnis zu den Nationalsozialisten war angespannt. Unter dem nationalsozialistischen Regime stellt Courths-Mahler Anträge auf Mitgliedschaft in der „Reichsschrifttumskammer“. Durch Zwang, oder vielleicht aus taktischer Berechnung trat sie eigenen Angaben zufolge als förderndes Mitglied der SS bei, wo sie allmonatlich eine Geldspende leisten musste. Möglicherweise konnte sie damit weitergehende politische Ansprüche des NS Regimes umgehen. Den Fragebogen der NS-Reichsschrifttumkammer schickte sie unausgefüllt zurück. Sie leistet beharrlich Widerstand dagegen, dass ihre Romane den Vorgaben des NS-Regimes angepasst werden, was zur Folge hatte, dass ihre Romane von den Nazis abgelehnt werden. Sie scheitert am Gleichschaltungsapparat und der „Beratungsstelle für Volksliteratur“, die Unterhaltungsliteratur gänzlich eliminieren wollte. Courths-Mahler wird angefeindet und behindert. Anfang 1935 werden ihre Verträge von Verlagsseite aufgelöst.

Die Übersiedlung  und der Rückzug an den Tegernsee im Jahr 1935 erklärt sich auch von daher.

In die 1933 erworbene Villa am Leeberg ziehen die Bestsellerautorin und ihr Mann Fritz ein. Dann auch Tochter Margarethe mit ihrem Mann Karl Elzer, einem Schauspieler vom Berliner Schillertheater. Beide Paare teilen sich die zwei Stockwerke des Hauses mit jeweils 5 Zimmern. Tochter Friede, die sich 1934 von ihrem zweiten Mann, dem Musikverleger Anton Bock 1934 getrennt hatte, bekommt von ihrer Mutter in Rottach-Egern eine eigene Villa. 1937 heiratet sie in dritter Ehe Fritz Stein.

Schatten auf die Familie wirft nicht nur der Nationalsozialismus, sondern auch der Tod der Ehemänner von Hedwig und ihre Tochter Margarethe: Fritz Courths stirbt 1936, Fritz Elzer nimmt sich wegen eines Krebsleidens 1938 das Leben.

Wie ihre Mutter geraten auch Margarete Elzer und Friede Birkner während der Zeit des Nationalsozialismus in politische Schwierigkeiten: Elzer, die zunächst noch Erfolge mit Trivialromanen feiern kann, wird 1941 aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen; Birkner erhält im selben Jahr Schreibverbot und wird nach dem „Heimtückegesetz“ von 1934 zu 28 Monaten Haft und Zwangsarbeit verurteilt.

In den letzten Kriegsjahren erlebt Hedwig Courths-Mahler in ihrem Haus noch Einweisungen von Nazifamilien, ebenso Friede Birkner in ihrer Villa in Rottach-Egern. Courths-Mahler bleiben nur ihr Schlafzimmer und ein kleines Badezimmer.

Nach dem Krieg

Nach Kriegsende wird Courths-Mahler von den amerikanischen Besatzern protegiert: Für ihre Villa erhält sie ein „Off-Limits-Schild“, das sie vor Durchsuchungen und Enteignungen schützt. Tatsächlich wird der Mutterhof von einem deutschstämmigen amerikanischen Oberst, der ihre Romane gelesen und durch diese Deutsch gelernt hatte, vor fremden Zugriff bewahrt und später der Schriftstellerin in vollem Umfang zurückgegeben. Die Anfänge des wiederauflebenden Erfolgs ihrer Literatur in den Nachkriegsjahren erlebt sie jedoch nur ansatzweise. Das letzte Werk, das von ihr veröffentlicht wird ist der Roman „Flucht in den Frieden“. Im Frühjahr 1950 feiert sie ihren 83. Geburtstag. Am 26. November 1950 stirbt sie in ihrem Haus am Tegernsee.

Kontakt

Schwaighofstraße 47, 83684 Tegernsee, Deutschland

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