Schloßplatz 1, 86956 Schongau, Deutschland
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Pflegschloss
Quelle: Pfaffenwinkel - Natürlich Oberbayern!, Autor: Stadt Schongau
Beschreibung
Das Schloss Schongau entstand im 15. Jahrhundert als wittelsbachische Nebenresidenz unter Herzog Christoph dem Starken. Es wurde später Sitz des Pflegers (Landrichters) von Schongau, später Bezirksamt, dann bis 1972 Landratsamt des Landkreises Schongau. Es ist eine zwei- und dreigeschossige Dreiflügelanlage mit Krüppelwalmdächern, im Kern entstanden nach einem Stadtbrand im Jahr 1493. Ausgebaut und erneuert wurde es in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts und im Jahr 1938. Die alte Schlossgartenmauer an der Bauerngasse stammt wohl aus dem 16. Jahrhundert. Das Gebäude wird bis heute vom Landratsamt Weilheim-Schongau genutzt.
Audiokommentar zur Station 7, Pflegschloss
Auszug aus dem Audiokommentar von Oliver Pötzsch
Meine Herren, nehmen Sie den Hut ab, meine Damen, machen Sie einen Knicks – denn Sie stehen hier vor einem wahrhaftig herzoglichen Schloss. Zugegeben, es ist kein besonders großes Schloss, außerdem wurden die beiden Schlosstürme im Spanischen Erbfolgekrieg gesprengt. Aber immerhin diente dieses herrschaftliche Gebäude im 15. Jahrhundert einem Wittelsbacher Herzog als Nebenresidenz. Christoph, genannt der Starke, war ein Bruder von Bayernherzog Albrecht, dem Weisen. An den beiden Beinamen merken Sie schon, dass Christoph eher der sportliche Typ war, während sein Bruder mit kluger Hand das Land regierte. Es heißt, der starke Christoph habe einst einen über 360 Pfund schweren Stein neun Schritte weit geworfen. Auf dem Gemälde an der Frontseite können Sie seine Muskelkraft bewundern.
Seit den Zeiten der Stadtgründung, also auch zu Zeiten von Scharfrichter Kuisl, war das Schloss dann Sitz des Pflegers, eine Art Stellvertreter des bayerischen Kurfürsten. In meinen Romanen dient es dem Gerichtsschreiber und Vizelandrichter Johann Lechner als Amtsgebäude – eine historische Figur, über die Sie an der Station an der Stadtpfarrkirche mehr erfahren. Da der eigentliche Pfleger wohl oft nicht vor Ort war, habe ich Johann Lechner zum heimlichen Herrscher Schongaus gemacht. Von hier aus lenkt der Schreiber die Geschicke der Stadt, oft wird auch der Henker Jakob Kuisl herbeizitiert – die beiden verbindet ja in den Büchern beinahe so etwas wie eine Hassliebe.
Wenn Sie die Augen schließen, sehen Sie den Henker eben über den schmutzigen Vorhof stapfen, auf dem Weg zu Johann Lechner. Es geht wohl um die baldige peinliche Befragung der Hebamme Martha Stechlin.
Über ausgetretene Stufen und einen dunklen Gang mit schmalen Schießscharten folgen wir Kuisl nun in unserer Fantasie zur Tür der Amtsstube. Der rechte Wehrturm ragt als rußige Ruine empor, die Dächer der anliegenden Stallungen und Dreschtennen sind moosig und leck. Kaputte Kutschen und allerlei Gerümpel lugen zwischen den zerborstenen Bretterwänden hervor. Wir lassen die beiden jetzt besser allein. Johann Lechner mag es nicht, wenn man ihm in die Karten schaut – und Jakob Kuisl hat vom gestrigen Saufen einen schweren Kopf und ist dementsprechend grantig …
Von der Zeit der Stadtgründung an bis in unsere heutigen Tage beherbergt das ehemalige Schloss durchgehend die Amtsräume der bayerischen Staatsverwaltung in der Stadt, seit 1972 als Nebenstelle des Landratsamts Weilheim-Schongau, eine in Deutschland und Europa wohl einmalige Kontinuität.
Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte von hier aus übrigens ein anderer – demokratisch legitimierter – Herrscher seinen Siegeszug über Bayern antreten: Ministerpräsident Franz Josef Strauss begann seine politische Karriere als Schongauer Landrat. Ob Sie sich vor seiner Büste verneigen, die rechts von Ihnen steht, nun … das bleibt Ihnen selbst überlassen.