86956 Schongau, Deutschland
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Kasselturm
Quelle: Pfaffenwinkel - Natürlich Oberbayern!, Autor: Stadt Schongau
Beschreibung
Markanter Turm an der südöstlichen Ecke der Stadtmauer. Als der Turm im 19. Jh. in den Besitz des Kasselbräu kommt, erhält er seinen Namen "Kasselturm".
Audiokommentar zur Station 4, Kasselturm
Auszug aus dem Audiokommentar von Oliver Pötzsch
Der sogenannte Kasselturm, vor dem Sie jetzt stehen, war früher Teil der Stadtmauer. Seinen jetzigen Namen erhielt er im 19. Jahrhundert wegen der Schongauer Brauerei „Kasselbräu“, zu deren Anwesen der Turm vorübergehend gehörte. Auf dem großen Parkplatz hinter Ihnen fanden schon mehrmals die Henkerstochter-Festspiele statt, vor vielen tausend Leuten, die teilweise aus der Schweiz, Österreich, China oder gar den USA kamen. Es war ein seltsames Gefühl für mich, die Figuren meiner Romane zum ersten Mal live zu erleben – so als würden sie plötzlich wie durch Zauberei Fleisch und Blut werden.
Wenn Sie hinter den Turm gehen, sehen Sie unten den Lech fließen. Dort wo die Brücke nach Peiting führt, befand sich zu Kuisls Zeiten das schmutzige Gerberviertel. Hier wohnte der Henker, außerhalb der Stadt, auch deshalb, weil er als sogenannter Wasenmeister so etwas wie die städtische Müllabfuhr war. Allein der Blick eines Scharfrichters brachte schon Unglück, auf den Straßen wich man ihm aus. Trotzdem pilgerten viele brave Schongauer Bürger heimlich zu ihm, für ein Stück Galgenstrick oder andere magische Utensilien. Begehrt war zum Beispiel das Blut von Hingerichteten, das gegen Epilepsie helfen sollte. Und mit dem sogenannten Armesünder-Fett verdiente der Henker mehr als mit den Hinrichtungen, ebenso wie mit Knochenmehl oder zerstoßener Mumie.
Kneifen Sie die Augen zusammen, dann sehen Sie dort unten auf der Brücke die Henkerstochter Magdalena. Eben kommt sie von Peiting, wo sie die alte Daubenbergerin besucht hat. Die Peitinger Bauern haben der Hebamme übel zugesetzt, weil ein Bub tot im Lech gefunden wurde, und nun sucht man einen Sündenbock. Hebammen hatten bei Männern oft den Ruf, mit dem Satan im Bunde zu sein, weil sie die Kinder auf die Welt brachten – und manchmal wohl auch dafür sorgten, dass sie eben nicht auf die Welt kamen.
Wenn Sie das Haus des Scharfrichters suchen … Das steht leider nicht mehr. Als ich das Grundstück vor einigen Jahren besuchte und mit dem jetzigen Besitzer sprach, erzählte er von Knochen, die er beim Umgraben seines Gartens gefunden hatte. Ich dachte gleich an Menschenknochen … Doch es waren nur alte Tierknochen. Als städtischer Wasenmeister war der Henker eben auch für die Tierkadaver-Entsorgung zuständig. Fangen Sie also bitte nicht an zu graben!