Veranstalter | Modern Studio Freising |
Veranstalter-Adresse | Haxthausen 14, 85354 Freising, Deutschland |
Quelle | Stadt Freising |
43. LITERARISCHER HERBST: Christian Mitzenmacher - " Knallkrebse"
Camerloher Gymnasium | Café Camerloher

Modern Studio Freising
Die Veranstaltung
Samstag ist Bahntag. Das ist ein typischer Laura-Satz, denkt Tom, wenn seine Freundin sich gelegentlich an einem solchen Tag in den Zug setzt, um an einen entspannenden Ort zu fahren, ungestört vom Gedränge der Berufs- oder Wochenendpendler. Die beiden sind gerade so lange zusammen, dass die erste Verliebtheit noch anhält und dazu auch schon viel gegenseitiges Vertrauen gewachsen ist. In der Beziehung überwiegt also das Glücklichsein. Ansonsten gibt es einiges, was Toms Lebensgefühl eintrübt. Im Verhältnis zu seinem Bruder spürt er eine Entfremdung, die ihn schmerzt. Mit Unbehagen blickt er auf sein Studium. Obwohl er bereits an seiner Dissertation arbeitet, zweifelt er immer mehr, ob Physik das Richtige für ihn ist.
So hat er vor einiger Zeit aus gesellschaftlichem Verantwortungsgefühl, aber auch als eine Art Stütze für seine Seele die Patenschaft für einen jugendlichen Geflüchteten aus Afghanistan übernommen. Schnell ist eine Freundschaft zu dem 16jährigen Farid entstanden, die auch Laura mitträgt. Durch Farid reiht sich der Roman ein in die vielen Flucht- und Migrationsgeschichten, die in den letzten zehn Jahren geschrieben worden sind. Das Thema hat ja keineswegs an Aktualität verloren.
Farid wird von der Jugendhilfe betreut, abgeschieden von den einheimischen Teenagern, deren Leben er nicht wirklich teilt. Doch uns Lesern begegnet er an verschiedenen Münchner Lokalitäten, Lenbach Haus, Englischer Garten, immer in Gesellschaft von Tom, manchmal auch von dessen Freunden. Romantechnisch liegt das daran, dass Tom der Ich-Erzähler ist, also alles aus seiner Perspektive heraus geschieht. Doch weil er echtes Interesse an Farid hat und viel Einfühlungsvermögen, entsteht ein recht differenziertes Bild dieses jungen Zuwanderers. Der Junge hat gute Voraussetzungen, sich zu integrieren, findet Tom. Er geht geschickt mit der deutschen Sprache um, hat Witz und Leichtigkeit, lernt gut und hat einiges Zeichentalent. Damit gehöre er doch zu den aussichtsreicheren Jugendlichen hierzulande. Etwas Wesentliches fehlt Farid allerdings, und das übersieht Tom: Zugehörigkeit. Er steht ohne Familie da, seine Wurzeln sind gekappt. Dass dadurch die Trennung von Pari, seiner vielleicht ersten Liebe, einen besonders tiefen Riss in seiner Seele hinterlassen hat, entgeht Tom. Farid hat das Mädchen auf der Flucht kennengelernt und konnte eines Tages nicht verhindern, dass er im weiterfahrenden Bus saß und sie draußen zurückblieb. Wie sehr der Kummer darüber an Farid nagt, versteht Laura intuitiv besser. Tom jedenfalls ist völlig perplex, als Farid ihm an einem Samstag eröffnet, er mache sich gleich auf den Weg nach Budapest, um Pari zu suchen. Tom verhindert die Zugfahrt auf drastische Weise, was Farids Zusammenbruch und eine Behandlung in der Psychiatrie nach sich zieht. Es ist nicht ausschließlich eine schlimme Zeit und sie geht auch nach ein paar Wochen zu Ende. „Samstag ist Bahntag“, bemerkt der wieder genesene Farid ganz nebenbei und Tom wird Lauras Rolle in dem Drama schlagartig bewusst. Kann das alles noch gut ausgehen?
Christian Mitzenmacher wurde 1986 geboren und wuchs in Bad Buchau, Oberschwaben, auf. Er ist Mathematiker, forschte an der TU München und dem MIT in Cambridge und promovierte in Operations Research. Er war Stipendiat der Bayerischen Akademie des Schreibens (2014), Finalist beim open mike (2016) und Stipendiat der Autorenwerkstatt Prosa des Literarischen Colloquiums Berlin (2019). Er lebt in Berlin.
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