Adrian-Stoop-Str. 37, 83707 Bad Wiessee, Deutschland
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Brunnenhaus "Ludwigsquelle" - Quirinus-Legende
Quelle: Alpenregion Tegernsee Schliersee
Beschreibung
Ein Ereignis aus dem Jahr 1909 datiert den Ruf Bad Wiessees als Heil- und Kurbad: Am 27. Mai wurde im Bohrloch III bei einer Tiefenbohrung von über 700 m eine stark übelriechende Quelle entdeckt.
An der Stelle, wo das Quirinusöl aus der Erde kam, hoffte man zu jener Zeit auf Erdöl zu stoßen. Statt des Erdöls erschloss man allerdings eine Jod-Schwefelquelle. Dort, wo der Bohrturm gestanden hatte, setzte man einen kleinen Quellentempel mit Brunnenbecken, Eisengitter und Schirmdach. Später wurde der Quellentempel durch einen Holzbau ersetzt, auf den wiederum ein Brunnenhaus mit Pumpanlagen, die zum Teil noch heute erhalten sind, folgte.
1914 wurde die Jod-Schwefelquelle an der Adrian-Stoop-Straße 37 mit Genehmigung des bayerischen Königs „König-Ludwig-III.-Quelle“ benannt. Die Unternehmergesellschaft „Erste Bayerische Petroleumgesellschaft“ ihres Entdeckers, des holländischen Bergbauingenieurs Adrian Stoop (1865-1935), führte ab demselben Jahr den Namen „Jod- und Schwefelbad Wiessee GmbH“.
Die „Ludwigsquelle“ wurde wegen unregelmäßigen Wasserdrucks 1979 geschlossen. Das Heilwasser der in der Nähe befindlichen „Königin-Wilhelmina-Quelle“ und der „Adrianusquelle“ fließt dagegen bis heute.
Der achteckige weiße Putzbau mit Holzschindeldach und Zwiebelhaube steht frei im Kurgarten, im Hintergrund zeichnet sich die denkmalgeschützte Trink- und Wandelhalle ab. An deren Seite ist seit 2017 ein Hoteltrakt nach Plänen des Mailänder Architekten Matteo Thun (*1952) geplant.
Quirinus-Legende: „Der Trunk aus der Hirnschale des St. Quirin“
Im Quirinuskult nehmen Wasser und Brunnen eine bedeutsame Stelle ein. Der Historiker und Universalgelehrte Johann Nepomuk Sepp (1816-1909) schrieb um 1898: „In Tegernsee war der Trunk aus dem Schädel des Quirinus üblich [...].“ Die in früheren Zeiten häufige Gepflogenheit, Wallfahrern den Wein der Hl. Messe aus der zu einem Kelch verarbeiteten Hirnschale eines Heiligen zu reichen, fand auch an anderen Orten, etwa in Wolfratshausen, Gebrauch, wo zu diesem Zweck die Hirnschale des frommen Pilgers Nantovinus (gest. um 1286) diente. (vgl. Schinzel-Penth, S. 206)
In diesem Zusammenhang ist interessant, was der wohl wirkmächtigste Dichter seiner Generation, der Lyriker und Essayist Thomas Kling (1957-2005), im ersten Teil seiner Neusser „Hombroich“-Elegie geschrieben hat:
„so geht das weiter, in knisternder
hitze, in der sich der kopf –
spucke daran und abriebspuren –
als nützlich erweist, bei weiteren
einblendungen:
eines heiligen
hirnschale
umgearbeitet als kelch, daraus
die wallfahrer ihren trunk tun:
in tegernsee war der trunk aus
dem schädel des quirinus üblich.
na bitte!“
(Kling, S. 94)
Der hl. Quirinus von Neuss, ein römischer Märtyrer, der unter Kaiser Hadrian um 115 enthauptet wurde, ist der Schutzpatron der rheinischen Stadt Neuss. Thomas Kling serviert seinen Lesern die Tatsache, dass dieser – mit Verweis auf den Trunk aus dem Schädel des Quirinus – seine Spuren im bayerischen Tegernsee gefunden hat, in Form eines neckischen Rippenstoßes: „na bitte“, da habt ihr ihn, will er damit sagen!